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Sonntag, 29 Dezember 2019 09:46

Ein ganz großer Wurf

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Annika Straub
Annika Straub Annika Straub Ralf Reinhard

Es ist mehr als nur „usselig“, wie der Westfale sagt, an diesem Samstagvormittag auf dem Sportplatz des Conrad-von-Soest-Gymnasiums. Der Himmel ist matschig grau, es ist kalt und stürmisch. „Wir sind ja keine Hallenkinder“, winkt Ralf Reinhard ab. Ihm selber macht der Wind nichts mehr aus, als Landespfleger ist er es gewohnt, bei Wind und Wetter an der Luft zu arbeiten, und sei sie noch so frisch. Es ist relativ leer auf dem Areal, außer ihm sind nur vier junge Frauen anwesend, die er für das Leichtathletikzentrum Soest trainiert. Eine von ihnen ist Annika Straub. Sie macht drei Drehungen. Beim Eiskunstlauf, bei dem zumindest ähnliche Temperaturen herrschen, spräche man wohl von Pirouetten. Dann lässt sie los. Das vier Kilo schwere Geschoss, das sie an gut einem Meter Draht um sich hat kreisen lassen, fliegt durch die Luft. „Der Hammer hat bei ihr eine Abfluggeschwindigkeit von 23 Metern pro Sekunde, das sind mehr als 80 km/h“, weiß Reinhard. Da möchte man nicht in der Flugbahn stehen. Reinhard: „Das an den Kopf zu bekommen wäre so, als würde man auf der Landstraße von einem Auto angefahren.“

Als Trainer der Hammerwerferinnen hätte er die Metallkugel früher durchaus an den Kopf bekommen können – theoretisch. „Es ist natürlich nie etwas passiert, die Kugeln flogen immer in die richtige Richtung. Aber allein die Möglichkeit, dass etwas hätte passieren können, bremste die Mädchen aus.“ Im September spendierte die Stadt dem LAZ die neue Wurfanlage mit festen Kunststoffnetzen, „und jetzt können sie Vollgas geben, denn nun ist es völlig gleich, wohinder Hammer fliegt“. Eine solche Fliehkraft, dass der das Netz durchschießen könnte, dürften allenfalls Superman oder Hulk entwickeln.
Es gibt am Convos zwar noch eine ähnliche Anlage für die Diskuswerfer – doch den anliegenden Fußballplatz durften sie mit ihren Kugeln nicht zerbeulen, „denn das ist einer der am besten gepflegten Rasenplätze in Soest.“ Aus dem Gras neben der neuen Hammerwurfanlage hingegen müssen sie die Hämmer bei einem solchen Wetter förmlich fischen. Denn das Regenwasser steht zwischen den Halmen. Reinhard wollte es gerne alles mit Beton ausgegossen haben, aber das sei den Sponsoren zu teuer gewesen. Man kann halt nicht alles haben.
Wer bei Hammerwerferinnen automatisch noch an eher quadratisch gebaute androgyne osteuropäische Athletinnen mit Oberlippenbart denkt, wird hier eines Besseren belehrt: „Das sind heute nicht mehr solche Kolosse wie früher“, meint Reinhard. „Der Sport ist viel dynamischer geworden und ist nicht mehr so auf Kraft ausgelegt. So kräftig sind die alle nicht. Es kommt längst nicht mehr nur auf den Umfang des Oberarms an, da ist der ganze Körper gefragt – alles eine Frage der Technik.“
Er kann viel erzählen über Fliehkraft und Flugbahnen, die er berechnet, damit die Hämmer seiner Mädchen möglichst weit fliegen: „Pro Drehung kommt man auf 28 Bewegungsabläufe, die wir ansteuern können. Da kann man rasch Fehler machen, weshalb es wichtig ist, eine gute Bewegungssteuerung und ein gutes Körperbewusstsein zu entwickeln.“
Deshalb besteht das Training nicht allein aus dem eigentlichen Hammerwurf. Bevor es in die Wurfanlage geht, wärmen sich die jungen Damen auf. Übungshammer über den Köpfen schwirrend lassend, steigen sie über Hürden oder balancieren auf einem halb voll aufgepumpten Sitzball. Das würde schon für einen Auftritt im Zirkuszentrum Balloni reichen.
Außerdem betätigen sich alle auch in anderen leichtathletischen Disziplinen, als Hochspringer, Speerwerfer, Kugelstoßer. Der Hammerwurf habe sich bei ihnen zwar als jene herausgestellt, in der sie am besten sind. „Aber meine Devise lautet, dass man sich nicht rein auf eine Disziplin ausrichten darf, sondern die anderen als Grundlage benötigt“, betont Reinhard. „Sie alle fördern Annika Straub lässt den Hammer in der neuen Anlage am Convos kreisen. sich gegenseitig, weil man jeweils auch andere Teile der Muskulatur beansprucht.“
All diese Kenntnisse haben sich Reinhard und seine Schützlinge innerhalb von vier Jahren angeeignet. Auch der Trainer kam dazu wie die Jungfrau zum Kinde, hatte zwar Erfahrung in Speerwurf sowie in Hoch- und Stabhochsprung – in den Hammerwurf musste er sich selber komplett neu einarbeiten.
Würde erst jetzt tatsächlich selber damit in einem Wettkampf starten, so täte er dies aktuell noch in der Klasse M55 und im kommenden Jahr in der M60. „Aber dazu müsste ich in dieser Klasse den Fünf-Kilo-Hammer 35 Meter weit werfen. Aktuell schaffe ich 27 oder 28. Das reicht vielleicht für die Westfalenliga, aber für keine deutsche Meisterschaften.“
Apropos. Es gibt noch etwas, was hier wirft: Nämlich ein großes Ding seinen Schatten voraus. Am 4. Januar wird die neue Wurfanlage erstmals für einen Wettkampf genutzt. Am 3. Mai  wird das LAZ einen der Werfertage im NRW Hammerwurf-Cup des Fußball- und Leichtathletikverbands Westfalen ausrichten.

Quelle: Klaus Bunte, Soester Anzeiger

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